Es gibt inzwischen so viele Hersteller und Marken, dass der Kunde nur selten erkennen kann, wer eigentlich hinter einem Produkt steckt. Ich habe mich bemüht, bei zwei Produkten 'hinter die Fassade' zu schauen. Bei einem mit Erfolg.
Wo der Unterschied zwischen Marmelade, Konfitüre, Fruchtaufstrich und einer Konfitüre extra liegt, weiß wohl - mit Ausnahme von Gesetzgebern und Industrie - keiner so genau. Dennoch wurde ich hellhörig, als ich im Discounter ein Glas Hagebuttenkonfitüre entdeckte, das einem Versandhausprodukt im heimischen Kühlschrank doch sehr ähnelte.
Die Rede ist von 'Hagebutten Konfitüre extra' der Firma Maintal (entdeckt bei Netto) sowie einem vergleichbaren Produkt der Marke 'Gut Kampen' (bezogen über das Versandhaus Jungborn). Ich verglich Zutatenliste und Nährwertangaben und bemerkte, dass sich die beiden Produkte, die eine Preisdifferenz von ca. 100% aufweisen, auf den ersten Blick nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Mit dieser Information 'im Gepäck' durchstöberte ich das Internet und stellte fest: Maintal produziert für Jungborn die Marke 'Gut Kampen'. Mein Verdacht: Jungborn verkauft das Discountprodukt unter einem wohlklingenderen Namen für das Doppelte.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, kontaktierte ich sowohl den Maintal- als auch den Jungborn-Verbraucherservice. Von ersterem erhielt ich nur ausweichende Antworten ('man könne keine Interna preisgeben'), von letzterem eine sehr freundliche und ausführliche Antwort. Er wies darauf hin, dass Maintal sehr wohl Konfitüren für Jungborn produziere, diese sich aber in Qualität, Rohstoffauswahl und Herstellungsprozess von den billigeren Discount-Produkten abheben würden. "Aha", dachte ich bei mir, "dann ist die Gut-Kampen-Konfitüre von Jungborn also hochwertiger als die Maintal-Konfitüre von Netto." Doch so schnell wollte ich mich nicht zufrieden geben und fragte genauer nach, wo denn der (messbare) Vorteil des höherpreisigen Produktes für mich als Kunde läge. Nach weiteren Verweisen auf einen anderen Produktionsprozess und variierende Herstellungsparameter blieb diese Frage leider unbeantwortet; man räumte aber ein, dass das ländlich anmutende 'Gut Kampen' ein reiner Markenname sei und keine Bezeichnung für einen Produktionsstandort. Ein Punkt für Ehrlichkeit.
Die gesamte Korrespondenz lief zwar sehr zügig und freundlich ab, den tatsächlichen Qualitätsunterschied konnte mir Jungborn aber letzten Endes nicht mitteilen. In einer der letzten E-Mails heißt es, der Preisunterschied habe im Kern drei Gründe: 1. Den höheren Einkaufspreis aufgrund geringerer Liefermengen, 2. die separate Produktion bei Maintal und 3. eine höhere Spannenkalkulation. Diese Information verdient zwar die Note 1+ in Sachen Transparenz, eine Antwort auf meine ursprüngliche Frage bietet sie dennoch nicht. Im Gegenteil: Mein Verdacht, dass es sich um beinah identische Produkte handeln könnte, wurde dadurch eher bestätigt.
Ganz anders hingegen verliefen meine Recherchen in Bezug auf "edle Armbanduhren" der Marke 'Constantin Durmont', einigen vielleicht bekannt aus dem Verkaufsfernsehen. Im Internet befinden sich Hinweise, die darauf hindeuten, dass die 'Rohlinge' für die angeblichen Traditionsuhren aus einer Massenuhrenstanze namens 'Millionsmart' in China stammen und nur 'im Nachhinein' mit einem Label versehen werden. Wenn man sich die Daten ansieht, an denen so manch edel klingende "Traditionsmarke" in die jeweiligen Handelsregister eingetragen worden ist, stellt man schnell fest, dass es nicht weit her ist mit der Tradition ("2000 und" ist keine Seltenheit).
Eine freundliche und umfangreiche Anfrage zu diesem Thema beim Verkaufssender 'Channel 21' blieb bisher unbeantwortet. Dabei wollte ich nur wissen, ob die 'bösen Gerüchte', die man so im Internet liest, stimmen könnten... Aber der Sender hüllt sich lieber in den Mantel des Schweigens. Transparent ist das sicher nicht; so ein 'Kundenservice' verdient eher die Schulnote 6. Heißt es nicht auch landläufig "wer schweigt, macht sich schuldig"? Aber vielleicht kommt ja noch eine Antwort; ich halte Sie auf dem Laufenden...
Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt weder ein 'Gut Kampen' als Produktionsstandort noch eine Uhrenmarke 'Constantin Durmont' mit real zurückverfolgbarer 'großer Tradition' (wobei dieser Begriff ohnehin einem subjektiven Interpretationsspielraum unterliegt, den die Werbung zu gerne nutzt). Wer auf Nummer sicher gehen will, ist im Einzelhandel meist besser beraten (im wahrsten Sinne des Wortes).
Generell sollte aber gelten, dass Transparenz auch bei Massenware an oberster Stelle stehen sollte: Der Verbraucher muss erkennen können, wo Qualität drin ist und wo er nur einen wohlklingenden Namen bezahlt. Strengere Gesetze und bessere Deklarationspflichten könnten da Abhilfe schaffen.
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Monika (Dienstag, 02 August 2022 16:44)
Danke, hatte ich in Verdacht, weil ich mal eine Repartage las, das die Discounter etc auch so wohlklingende Namen wie "gut xxx" entwarfen, weil dem Verbraucher das einfach besser gefällt