"Ich wäre ja gerne Vegetarier, aber..."

Ich gebe zu, meine Artikel zum Thema Vegetarismus häufen sich in letzter Zeit. Das mag daran liegen, dass es mir sehr am Herzen liegt. Es könnte aber auch daran liegen, dass ich das Gefühl habe, die Welt wisse einfach noch viel zu wenig über die vegetarische Lebensweise. Daher möchte ich in diesem Artikel mit den gängigsten Bedenken und Vorbehalten gegenüber Fleischverzicht aufräumen und jenen Menschen Mut machen, die den Schritt gerne gehen würden, sich aber aus den verschiedensten Gründen nicht trauen.

1. "Der Körper braucht Fleisch, sonst bekommt er Mangelerscheinungen."

Dies ist sowohl eines der häufigsten als auch eines der falschesten Argumente gegen Vegetarismus. Geht es um Mangelernährung und 'lebenswichtige Inhaltsstoffe', sind meistens Eisen und Vitamin B12 gemeint. Wer sich ausgewogen ernährt und sich ein bisschen mit natürlichen Lebensmitteln beschäftigt, wird schnell feststellen, dass beide Inhaltsstoffe auch in anderen Lebensmitteln enthalten sind. Linsen, weiße Bohnen oder Erbsen z. B. enthalten Eisen, ebenso Kardamom oder Petersilie. Als Brotaufstrich ist Zuckerrübensirup ein beliebter Eisenlieferant. Vitamin B12 kommt hingegen ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor, so dass Vegetarier es über Vitamin-B12-haltige Käsesorten (dazu zählen u. a. Camembert, Emmentaler oder Edamer) oder Eier aufnehmen müssen. Wer keinen Käse mag, einem B12-Mangel aber dennoch vorbeugen möchte, kann auf ein Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann auch seine Blutwerte auf Eisen und Vitamin B12 hin untersuchen lassen. Ich kenne allerdings keinen Vegetarier, der aufgrund seines Fleischverzichts ernsthafte gesundheitliche Probleme gehabt hätte. Und wenn doch, liegt es meistens an einer grundsätzlich eher ungesunden Ernährung und hat weniger mit Wurst und Fleisch zu tun.

2. "Man kann gar nicht soviel Grünzeug anbauen, um die ganze Welt pflanzlich zu ernähren. Dazu braucht man viel zu viel Ackerfläche."

Das Gegenteil ist der Fall: Ca. 70% der weltweiten Ernte werden als Futtermittel für Nutztiere verwendet. Man stelle sich einmal vor, man würde nicht Tiere, sondern Menschen damit 'füttern'. Ein Mensch 'frisst' wesentlich weniger als ein Schwein oder ein Rind. Vereinfacht ausgedrückt ist es sogar so, dass wir über den Umweg der Futtermittelproduktion mit jedem Stück Fleisch, das wir essen, einem anderen Menschen auf der Welt die Nahrung wegnehmen. Dieser Gedanke führt auch das 'Ackerflächenargument' ad absurdum.

3. "Dadurch, dass ich auf Fleisch verzichte, werden anderswo auch nicht weniger Tiere getötet."

Kurzfristig ist das richtig, langfristig nicht. Was Fleisch angeht, bestimmt die Nachfrage das Angebot. Derzeit gibt es ca. 10% Vegetarier in Deutschland. Würden diese alle wieder Fleisch essen, wäre die Nachfrage um ca. 10% größer. Man sollte sich also nicht als Einzelkämpfer betrachten, sondern als Teil eben jener 10%, die langfristig etwas bewirken. Eine aktuelle Studie belegt: Der Fleischkonsum in Deutschland ist leicht rückläufig. Das macht Mut!

4. "Die Tiere sterben ja eh, da kann ich sie auch essen."

So einfach ist das leider nicht. Die Tiere, die in unseren Tiefkühltruhen landen, haben mit dem Wildtier, das eines natürlichen Todes stirbt, nur wenig bis gar nichts gemeinsam. Zur Fleischproduktion braucht man Tiere, die tolles Fleisch und guten Ertrag bringen. Zu diesem Zweck werden sogenannte Nutztiere relativ früh geschlachtet und unter schlechten, meist unnatürlichen Bedingungen gehalten. Man könnte sogar sagen, die meisten Nutztiere werden geboren, um geschlachtet zu werden. Mit einem natürlichen Lebenszyklus hat das nichts mehr zu tun.

5. "Der Mensch war immer schon ein Jäger und Sammler. Fleischgenuss gehört zur Kultur der Menschheit."

Darauf antworte ich gerne mit einer provokanten Gegenthese: Der Mensch war auch immer schon Kriegstreiber und Machtstreber. Beides gehört in diesem Sinne auch zur Kultur der Menschheit; ist es deshalb gut? Nur weil etwas immer schon so war, ist es ja nicht automatisch richtig, oder?

6. "Der Mensch hat Eckzähne, die dazu dienen, Fleisch zu zerteilen. Es ist also gottgewollt, dass wir Tiere töten und verspeisen."

Auch darauf möchte ich mit einer Gegenthese antworten: Der Mensch hat auch Hände, mit denen er andere Menschen erwürgen kann. Ist es deshalb gottgewollt, Mitmenschen zu töten? ;-)

7. "Manche Tiere töten doch auch andere Tiere, um zu überleben."

Das ist zwar richtig, größtenteils aber evolutionsbiologisch bedingt. Ein Löwe z. B. könnte ohne Fleisch gar nicht überleben. Menschen können das und sollten m. E. auch von dieser Fähigkeit Gebrauch machen. Um beim Löwen zu bleiben: Der Mensch ist im Gegensatz zu Raubtieren in der Lage, auf empathischer Basis rationale Entscheidungen zu treffen, ein Löwe nicht. Es ist also nicht ganz richtig, fleischfressende Tiere mit 'fleischfressenden Menschen' zu vergleichen.

8. "Mein Fleischkonsum erhält die Arbeitsplätze der Fleischindustrie."

Ein letztes Argument, dem mit einer Gegenthese begegnet werden soll: Die Waffenproduktion erhält auch Arbeitsplätze, dennoch trägt sie zum Tod vieler Menschen bei. Sollten wir uns nicht grundsätzlich von dem Gedanken lösen, dass der Zweck der Arbeitsplatzerhaltung alle Mittel heiligt?

9. "Mir schmecken Wurst und Fleisch einfach besser."

OK, das ist ein Argument, über das man streiten kann, denn Geschmack ist nunmal 'Geschmackssache'. Menschen, die Vorurteile gegen vegetarische Produkte haben, empfehle ich aber, sie einfach mal - unvoreingenommen - zu probieren. Es muss ja nicht immer Tofu oder Sojaschnitzel sein. Man kann auch 'ganz normale' Mahlzeiten zubereiten und auf das Stück Fleisch verzichten. Aber auch die so genannten Ersatz- oder Imitatprodukte schmecken - wenn sie richtig zubereitet und gewürzt sind - hervorragend und sind von der 'echten Fleischmahlzeit' oft nur durch die Konsistenz zu unterscheiden. Viele Fleischprodukte sind ohnehin so überwürzt oder in Sauce ertränkt, dass das Fleisch (bzw. dessen Fett) lediglich als Geschmacksträger dient. Oder schmeckt man bei einer Currywurst tatsächlich noch etwas vom eigentlichen Wurstgeschmack...? ;-) Grundsätzlich sollten wir uns ein Beispiel an den Asiaten nehmen: Bei ihnen ist es eher unüblich, eine Hauptspeise mit Beilagen zu servieren. Stattdessen gibt es viele kleine Sachen mit vielen unterschiedlichen Geschmäcken. "Ich brauche mein Stück Fleisch mit Beilage A und B" ist vielleicht ein traditionelles Argument, aber bitte kein geschmackliches. (Die Frage, ob es legitim ist, für den eigenen kulinarischen Genuss zu töten, lasse ich hier mal ganz bewusst außen vor. Mit ihr könnte man einen separaten Blog füllen... ;-) ) Dieses Argument kann also leicht ins Gegenteil verkehrt werden: Wer des Geschmacks wegen 'sein täglich Fleisch' verzehrt, dem entgehen u. U. neue Geschmackserlebnisse, auf die man als Fleischesser gar nicht gestoßen wäre.

10. "Sollen doch erstmal die Amerikaner aufhören mit ihren Burgern und XXL-Portionen."

Das ist ein Totschlagargument, das man gegen jeden klugen Gedanken anführen kann. "Sollen doch erst mal die Anderen" ist ein Trick, sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Ich halte es da wie Gandhi: "Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen."

11. "Ich töte die Tiere ja nicht selbst, ich kaufe ja nur."

Das klingt logisch, ist es aber leider nicht. Es ist nichts Anderes als ein weiterer Trick, sich der Verantwortung für sein Handeln zu entziehen. Mit jedem Kauf gibt man den Auftrag zu töten, auch wenn es hart klingt. Im Strafgesetz nennt man das Auftragsmord...

12. "Kein Fleisch zu essen ist unmännlich. Was sollen denn meine Freunde denken?"

Eigentlich ohne Worte. Wer dieses Argument gelten lässt, dem ist eh nicht mehr zu helfen... ;-)))

Die obige Auflistung ist keineswegs vollständig. Sie zeigt aber, mit welchen Mutmaßungen es der Fleischindustrie gelingt, die Verbraucher zu verunsichern. Greift nur eines der vermeintlichen 'Argumente', werden sie unsicher und agieren nach dem Motto "90% essen Fleisch, also kann es so falsch ja nicht sein". Dazu passt - aus fleischloser Sicht - der alte Sponti-Spruch "Fresst Scheiße, 70.000.000 Fliegen können nicht irren!"... In diesem Sinne: Möge ein Jeder essen, was er mag, solange er es bewusst tut und sich der Konsequenzen im Klaren ist.

Wer ohnehin schon mit dem Gedanken gespielt hat, Fleisch mal Fleisch sein zu lassen, den konnte ich vielleicht von seinen letzten Hürden befreien. Wer sich immer noch unsicher ist oder weitere Fragen hat, kann gerne die Kommentarfunktion nutzen. Ich werde nach bestem Wissen und Gewissen antworten. :-)

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