Warum mich mein Frühstück schon jetzt an TTIP erinnert

Der Käse aus den Alpen, der Fruchtaufstrich aus Lüttich, das Wasser aus dem schönen Nürburg - oder doch nicht? Bei näherem Hinsehen entpuppen sich viele der scheinbar geografischen Angaben als irreführend bis falsch. Wer sich schon an solchen Kleinigkeiten stört, wird nach der Absegnung des TTIP vom Glauben abfallen.

Es ist Freitag Morgen und meine Frühstücksutensilien stehen auf dem Tisch. Darunter Käse von 'Alpenmark', ein Fruchtaufstrich mit dem Namen 'Lütticher Delikatesse' und Mineralwasser aus der 'Nürburg Quelle'. Während des Essens nehme ich mir jene Produkte zur Hand und studiere die Etiketten mal etwas genauer. Nach dem mühsamen Lesen des Kleingedruckten stelle ich fest: Der Alpenmark-Käse kommt nicht aus den Alpen, sondern aus Mecklenburg-Vorpommern, die Lütticher Delikatesse nicht aus Lüttich, sondern aus Meckenheim in Nordrhein-Westfalen. Auch das Wasser aus der Nürburg Quelle hat rein gar nichts mit dem Bauwerk, geschweige denn mit dem schönen Ort Nürburg zu tun: Sein Quellort ist Dreis, das liegt etwa 60 Kilometer südlich von Nürburg, ca. 45 Minuten Autofahrt entfernt.

Namen sind bekanntermaßen Schall und Rauch. Die Werbeindustrie nutzt das Schlupfloch der freien Wahl des Markennamens (bei Mineralwässern auch des Quellnamens), um mit wohlklingenden Begriffen gewisse Assoziationen zu wecken. Dabei sind meine drei Beispiele vom Frühstückstisch nur eine winzige Auswahl des täglichen 'Beschisses'. Oder glaubt irgendjemand tatsächlich, die Pflaumen für das 'Aachener Pflümli' kämen aus Aachen? Auch mein lokales Lieblingsbier, das 'Ketschenburg Pils' aus Stolberg (Rhld.) - auf der Flasche findet sich nur eine Stolberger 'Briefkastenadresse', von der aus u. a. kaufmännische Dinge geregelt werden -, wird als Auftragsarbeit mit Lizenz in Bayern gebraut - adé, Du schöne Regionalität! Und auch Noch-Fleischesser sollten inzwischen wissen, dass es weder ein 'Gut Ponholz' noch einen idyllischen 'Wiesenhof' gibt. Selbst die 'Rügenwalder Mühle' ist nichts weiter als ein Werbegag (darüber hinaus macht sie derzeit Werbung für vegetarischen Brotbelag - tierleidfreier Aufschnitt aus dem Schlachthaus, sehr sinnig... :-/ ).

Wie aber kommen die Werbetreibenden auf ihre Ideen? Die bereits erwähnte Fleisch- und Wurstmarke 'Gut Ponholz' soll dies kurz verdeutlichen: Ponholz gibt es tatsächlich. Es ist ein Ortsteil der Stadt Maxhütte-Haidhof im Landkreis Schwandorf bei Regensburg in Bayern. Sogar das idyllisch anmutende Haus aus dem Gut-Ponholz-Markenlogo steht dort, allerdings handelt es sich nicht um einen ländlichen Bauernhof, sondern um eine Gaststätte. Nicht weit davon entfernt: Die Konzernzentrale des Discounters Netto, der immer wieder durch sein Billigfleisch eben jener Marke in die Kritik gerät. So schließt sich der Kreis. Manchmal reicht es offenbar, aus dem Fenster zu sehen, um sich Inspiration für seine Vermarktung zu holen.

Klar, das ist alles nicht neu, manche 'Skandale' sind inzwischen alte Hüte. Wieso ich das Thema dennoch wieder auf die Tagesordnung setze: Wenn bereits heute so undurchschaubar ist, welche Firma wirklich wohinter steckt bzw. woher die Zutaten kommen, die sich im Endprodukt befinden, wie soll das erst werden, wenn durch TTIP, dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP = Transatlantic Trade and Investment Partnership), unsere Lebensmittel theoretisch auch aus Nordamerika kommen könnten, sobald sich dies aus ökonomischer Sicht lohnt? Zwar sind auch heute schon Lebensmittel aus den USA in aller Munde (Wahnsinn, ein Wortspiel :-) ), doch beschränken sich diese Lebensmittel i. d. R. auf solche, die in Europa nicht angebaut werden / werden können. Und wenn doch, dann kann der bewusste Konsument wenigstens noch wählen, ob er dem regionalen Produkt beim Einkauf den Vorrang gibt.

Was macht jedoch der deutsche Bauer, wenn amerikanische Großkonzerne mit Billigwaren seine regionalen Produkte verdrängen? Und noch schlimmer: Was macht der deutsche Konsument, wenn es vielleicht bald keine deutschen Produkte mehr gibt? Dann kann er wählen: Nehme ich das Chlorhühnchen aus Nebraska oder den Gen-Mais aus Illinois? Diese Entwicklung werden auch die wenigen Idealisten nicht stoppen können, die für regionale und chemiefreie/-reduzierte Produkte gerne mal etwas mehr Geld ausgeben. Hinzu kommt der deutsche Durchschnittsbürger, der - ich drücke es mal vorsichtig aus - nicht gerade dafür bekannt ist, sich mit solchen Themen intensiv auseinanderzusetzen und augenscheinlich immer noch nach dem Motto konsumiert 'jeden Tag Fleisch und Hauptsache billig'. Ich zitiere den Komiker Bülent Ceylan, der auch einmal kritisch anmerkte, der Deutsche sei doch eher preisorientiert: "Ich muss fast kotzen, aber für 3€ war das Schnitzel lecker."

Doch ist es ein anderes Thema, das noch weitaus schwerer wiegt, als romantisches Ländlichkeits- und Regionalitätsgehabe: Die Umweltbilanz! Ist TTIP erstmal 'durch', wird nicht nur der Handel an sich, sondern auch der interkontinentale Transport - unnötigerweise - aufgebläht. Für ein paar mickrige Prozente Wirtschaftswachstum - und diese auch noch auf begrenzte Zeit - werden Umweltschäden in Kauf genommen, die beispiellos sind. Wo liegt da der Sinn? Aufschwung für alle, aber nur ein paar Jahre und danach die Sintflut? Man sieht doch an zahlreichen anderen Beispielen, wohin es führt, wenn man Dinge ausschließlich unter finanziellen Aspekten betrachtet: Früher oder später wird der am Markt bestehen, der die billigste Lösung bietet. TTIP fördert dieses Denken bzw. diese Entwicklung auf fatale Weise.

Zurück zu meinem Frühstück! Selbstverständlich bricht durch innerdeutschen oder innereuropäischen Handel nicht gleich die ökologische Endzeit aus - von daher darf mein Wasser auch gerne 60km mehr zurücklegen, als der Markenname vermuten lässt. Doch darf man die ökologischen Effekte, gerade wenn sie interkontinental ausgeweitet werden, nicht unterschätzen. Daher appelliere ich an alle Mitstreiter und halbwegs politisch Interessierten: Stoppen wir das Diktat der Wirtschaft! Stoppen wir TTIP, bevor es zu spät ist!

(Aufgrund der Fülle an Demonstrations-, Petitions- und weiteren gesellschaftlichen oder politischen Möglichkeiten, gegen TTIP vorzugehen, verzichte ich an dieser Stelle auf Links oder Empfehlungen. Jeder sollte selbst entscheiden, welche Kampagne er unterstützen bzw. auf welchen Zug er - im positiven Sinne - aufspringen möchte.)

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